Zur Online-Bibel: Lukus 4,16-30 (SCHL2000)
Wir hörten in der Lesung einen Auszug vom Leben Jesus. Diese Erzählung im Lukasevangelium geschah am Beginn seines öffentlichen Wirkens. Jesus trat zum ersten Mal öffentlich auf als er ca. 30 Jahre alt war.
Am Beginn seines öffentlichen Wirkens steht seine Taufe durch Johannes den Täufer. Auch wir Christen bekunden noch heute öffentlich durch unsere Taufe unsere Zugehörigkeit zu Gott. Ich wurde in der Osternacht vor 9 Jahren getauft.
Was geschah nach seiner Taufe?
Er ging für 40 Tage in die Wüste, wo er mehrmals durch Satan in Versuchung geführt wurde.
Ich kann mir das gut vorstellen. Zwar nicht, wie es ist, durch eine Wüste zu wandern. Aber ich denke es ist so, als wenn man sich komplett allein und verlassen fühlt. Alle um einen herum sind zufrieden und glücklich, nur man selber ist das verhasste hässliche Entlein. Und dann auf einmal hört man diese leise Stimme, die einem zuflüstert und alles mögliche verspricht. Eine Stimme die uns immer weiter weg von der Bibel führen will. Und diese Stimme wird lauter und lauter.
„Hau ab Satan, verschwinde!!!“
Das ist das Einzige was wir machen können. So wie Jesus, Satan in seine Schranken weisen. Nicht sagen, ja lieber Satan bitte, bitte verführe uns nicht. Bitte, bitte lass uns das Richtige tun.
Sondern:
„Hau ab Satan, verschwinde!!“
Es laut ausrufen und ihn in seine Schranken weisen.
Und was geschah nach den Wüstenaufenthalt, nachdem Satan von Jesus in die Schranken gewiesen wurde?
Nach diesen 40 Tagen begann Jesus die Menschen in den Synagogen zu lehren.
Das erinnert mich sehr stark an mich.
Auch ich habe mich wie in der Wüste gefühlt. Nur dass es länger als die 40 Tage dauerte. Aber Gott hat zum Glück Geduld genug und Zeit ist für ihn relativ.
9 Jahre nach meiner Taufe hat er mir vorletzten Freitag gezeigt, was mich im Unterbewusstsein seit Ewigkeiten belastet und wo Satan mir immer zuflüstert.
Ich hatte 2 große Erlebnisse mit Gott. Das erste war vor fast 20 Jahren. Ich war Studienassistent an der Uni. Ich war aber auch auf den besten Weg zum Alkoholiker. Und eines Abends als mich Elisabeth Mutschlechner eine Glaubensschwester aus der Gemeinde in der ich heute predige, im betrunkenen Zustand nach Hause führte, fragte sie mich ob ich bereit sei, mit ihr ein Gebet zu sprechen. Ich machte ihr den Gefallen, glaubte aber (noch) nicht, dass Gott existierte, schließlich war ich ja Atheist. Elisabeth sprach ein schlichtes Gebet. Noch in der selben Nacht wurde ich wie aus dem Nichts von meiner Alkohol- und Nikotinsucht unter Tränen geheilt. 9 Jahre später habe ich mich taufen lassen. Und wieder 9 Jahre später hat Gott mich nochmals unter Tränen geheilt und mir gezeigt, dass es an der Zeit ist, zu predigen.
Aber zurück zu unserem Bibeltext.
Nach diesen 40 Tagen in der Wüste, begann also Jesus die Menschen in den Synagogen zu lehren.
Eines Tages steht er in der Synagoge in seiner Heimatstand Nazareth, als man ihn die Schriftrolle von Jesaja reicht.
„Und als er das Buch (gemeint ist die Schriftrolle) auftat, fand er die Stelle wo geschrieben steht…“ (Lk 4,17).
Jesus steht also jetzt vor all den Menschen mit der Schriftrolle in der Hand und beginnt zu lesen.
Nun hören die Gottesdienstbesucher die damals schon 700 Jahre alten Worte des Propheten Jesaja (Jes 61,1-2) mit der Stimme von Jesus.
»Der Geist des Herrn ist auf mir, weil er mich gesalbt hat, den Armen frohe Botschaft zu verkünden; er hat mich gesandt, zu heilen, die zerbrochenen Herzens sind, Gefangenen Befreiung zu verkünden und den Blinden, dass sie wieder sehend werden, Zerschlagene in Freiheit zu setzen, um zu verkündigen das angenehme Jahr des Herrn.«
Und was jetzt kommt, muss ein großartiger Moment gewesen sein. Der Moment, wo Prophetie und Erfüllung verschmelzen:
„Er aber fing an, ihnen zu sagen: Heute ist diese Schrift erfüllt vor euren Ohren! Und alle gaben ihm Zeugnis und wunderten sich über die Worte der Gnade, die aus seinem Mund kamen, und sprachen: Ist dieser nicht der Sohn Josephs?“ (Lk 4,21-22)
Jesus bezieht diese Worte in aller Öffentlichkeit auf sich selber. Er sagt ihnen, dass der, auf den sie gehofft und gewartet haben, vor ihnen steht.
So wie das ewige Wort Gottes „Fleisch geworden“ ist, also menschlichen Körper angenommen hat, wie Johannes 1,14 sagt, so wird in diesem Moment auch das geschriebene Wort, in Jesus lebendig.
Was mehrere Jahrhunderte vor Christus Geburt geschrieben wurde, bekommt nun Leben. Jesus ist gekommen damit geschieht, was da steht.
Wie reagieren aber die Nazarener nun darauf?
Sie fragen erstaunt: „Ist dieser nicht der Sohn Josephs?“
Und damit bringen sie Jesus dorthin, wo er für sie hingehört.
Er ist ein gewöhnlicher Mitbürger. Man kennt ihn als Sohn des Zimmermanns Joseph – und der soll nun auf einmal ein einzigartiger Prophet, ja, der Messias sein?
Jesus wiegelt aber nicht ab, im Gegenteil er gießt sogar noch Öl ins Feuer, indem er sagt, dass kein Prophet etwas in seinem Vaterland gilt. Worauf die Menschen wütend werden und ihn einen Abhang hinab stürzen wollen. „Er aber ging mitten durch sie hindurch und zog weiter.“ (Lk 4,30).
Ein dicht gefüllter Augenblick voller Chancen, von Gott vorbereitet, ging spurlos vorbei an Nazareth.
Die Leute haben den Messias nicht erkannt.
Seine Worte aber bleiben bis heute bestehen. Wir hören sie in Gottesdiensten und können sie in jeder Bibel lesen.
Die Frage ist, ob die Reaktionen heute ähnlich denen der Nazarener sind – oder ob wir dem, was Jesus sagt, mehr zutrauen.
Man kann auch heute in Jesus nur den Sohn des Zimmermanns sehen oder aber den Sohn Gottes.
Wenn wir die Prophetie von Jesaja mit Jesus verbinden, so kann auch in uns das geschriebene Wort lebendig werden. Es kann unser Herz berühren und unser Leben verändern.
Obwohl dieses Wort von Jesaja schon so lange geschrieben steht (immerhin fast 3000 Jahre), so ist es der Welt, in der wir leben, sehr nahe.
Verschiedene Menschen sind es, die Jesaja nannte: Arme, jene mit zerbrochenen Herzen, Gefangene und Blinde sowie Zerschlagene.
Sie alle sind auch heute nicht weit weg von uns.
Und diesen Menschen verkündet Jesus seine frohe Botschaft. Das Evangelium ist eine Botschaft von Freiheit, Leben, Würde, Liebe und Annahme, eine Botschaft von Wiederherstellung und Erneuerung.
Jesus hat uns etwas zu sagen für die Armut unserer Zeit.
Es ist eine Armut, bei der es nicht nur um die gefüllte Brieftasche geht.
Arm sind wir zunehmend auch an Werten, wir sind arm an Idealen und arm an Hoffnung.
Und ist es nicht oft diese Armut an Werten und Überzeugungen, die dann zur materiellen Armut führt?
Das Evangelium von Jesus verändert die Prioritäten seiner Nachfolger, es entstehen Gemeinschaften, in denen man zusammenhält und teilen lernt.
„…er hat mich gesandt, zu heilen, die zerbrochenen Herzens sind“
WOW – was für wunderbare Worte.
Jesus ist gesandt, alle zu heilen, die ein zerbrochenes Herz haben. So können Menschen diese heilende Kraft inmitten von Zerbruch und Hoffnungslosigkeit erfahren.
Sie werden heil von ihren Wunden und empfangen tief in ihrem Leben Würde und Erneuerung. Sie stehen auf aus ihren Umständen und geben ihrem Leben nochmals eine Wende:
Das ist für mich Evangelium pur!
Dieses Wort begeistert mich, weil ich es, wie ich es euch zuvor kurz erzählt habe, selbst erfahren habe.
Er hat mich mit Teilen meiner Persönlichkeit versöhnt, die mich daran hinderten, mich weiter zu entwickeln. Aber nachdem er mich geheilt hat, war es auch wichtig Ja zu Jesus zu sagen und bei diesem Ja zu bleiben und nicht bei erstbester Gelegenheit wieder in mein altes Leben zu verfallen. Jesus hilft uns, wenn wir es zulassen. Er zwingt sich uns aber nicht auf. Aber wenn wir es wollen und zulassen heilt er unser zerbrochenes Herz.
„…Gefangenen Befreiung zu verkünden…“
Als Jesaja das aussprach, waren die Israeliten gerade äußerlich befreit worden. Sie durften zurückkehren aus der Gefangenschaft in Babylon. Dennoch geht Jesaja auf sie zu und sagt, die Befreiung müsse erst noch kommen. Offenbar dachte Jesaja an eine andere Art von Gefangenschaft.
So ist es ja auch heute: Wir sind gefangen in unseren Denkmustern, gefangen von Konsum, vom „Höher, Schneller, Weiter“ – und auf der Strecke bleibt die Freiheit eines beherzten Lebens.
Wir sind uns selbst, unseren Mitmenschen und unseren Herzen fremd geworden.
Wir haben vergessen, was wir wirklich sind, wir leben oft unter einer falschen Identität.
Ich habe vor einiger Zeit einen alten Freund aus meiner Schulzeit getroffen. Wir haben uns erzählt wie unser Leben seither verlaufen ist, was wir beruflich erreicht haben und wie sich unser Privatleben entwickelt hat.
Als ich wieder zu Hause war, habe ich mir noch Gedanken über das Gespräch mit meinem alten Freund gemacht und bin auf die Frage gestoßen „Wer bin ich?“
Viele beantworten diese Frage damit, was sie beruflich tun, ob sie verheiratet sind, Kinder haben, welches Auto sie fahren und wie der letzte Urlaub war. Häufig definieren wir unsere Identität indem wir uns mit anderen vergleichen.
Wir glauben, jemand zu sein, der sich selbst seinen Wert erkämpfen muss und der nur dann gut angesehen ist, wenn er die Voraussetzungen selbst geschaffen hat.
Aber Gott sieht das nicht so. Bei ihm bekommen wir unsere Identität nicht durch Verhalten, sondern durch den Glauben werden wir neu geboren, werden wir eine neue Schöpfung.
„Darum: Ist Jemand in Christus, so ist er eine neue Schöpfung; das Alte ist vergangen; siehe, es ist alles neu geworden.“ (2 Kor 5,17 SCHL2000)
Dieser Vers ist einer der gewaltigsten und wichtigsten Verse in der Bibel. Ohne die Offenbarung in diesem Vers gibt es kein Christentum.
DU BIST eine neue Schöpfung. Beachte, dass Gott in diesem Vers von deiner Person spricht.
Wenn wir diese Kernaussage aus 2Kor 5,17 nicht beachten, zerstören wir das Evangelium.
Es geht nicht darum, dass ich etwas Christliches tue, dass ich mich religiös, moralisch, oder wie auch immer verhalte, sondern „ist Jemand in Christus, so ist er eine neue Schöpfung“.
Der Kern deiner Identität ist nicht mehr was du tust, der Kern deiner neuen Identität ruht in Christus.
Menschen strengen sich so an, in dieser Welt ein Zeichen zu setzen. Sie hungern danach, eine Identität zu haben. Aber auf der Ebene von Leib und Seele ist keine befriedigende Identität zu finden.
Der Kern dessen, was wir sind, ist auf der Ebene des Geistes zu finden („Was aus dem Fleisch geboren ist, das ist Fleisch, und was aus dem Geist geboren ist, das ist Geist.“ Joh 3,6). Deshalb betrachtet die Bibel jene, die sich außerhalb von Jesus Christus befinden, als tot, und die, die „in Christus sind“ als lebendig.
Jesus verkündet also den Gefangenen die Freiheit – auch denen, die in Selbsttäuschung gefangen sind.
Dann schreibt Jesaja in seiner Prophetie:
„…und den Blinden, dass sie wieder sehend werden…“
Die Juden, zu denen Jesaja redete, waren nicht blind im medizinischen Sinne.
Die Synagogenbesucher in Nazareth auch nicht. Zwar hat Jesus dann auch körperlich Blinde geheilt, aber darüber hinaus geht es um eine hintergründige Bedeutung.
Blind ist zum Beispiel der, dem Zeitnot und Termindruck den Blick vernebeln für das, was eigentlich wesentlich ist. Es gibt eine Blindheit vor lauter Wut und vor Eifersucht.
Sehend zu werden bedeutet, einen anderen Blick auf unser Leben zu bekommen.
Klarheit zu erhalten, mit offenen Augen unterwegs zu sein und unseren Lebensweg und das, was Gott uns aufs Herz gelegt hat, zu erkennen.
Und wer in Jesus dann doch nicht nur einen Menschen – den Sohn des Zimmermanns – sondern den Sohn Gottes sieht, der hat tatsächlich geöffnete Augen bekommen.
„…Zerschlagene in Freiheit zu setzen…“
In einer anderen Bibelübersetzung (NGÜ) heißt es „…den Unterdrückten die Freiheit zu bringen…“
Unterdrückung „funktioniert“ dann, wenn es einen gibt, der Macht hat, und daneben einen Unterlegenen.
Weil wir in einer Wohlstandsgesellschaft leben, sind wir oft auf der Gewinnerseite, haben mehr oder weniger viel Geld und damit Macht.
Andererseits unterliegen wir auch vielen Mechanismen, die uns beherrschen.
Im Wort „Unterdrückung“ steckt „Druck“.
Es gibt wohl kaum einen Alltag, der nicht von Druck geprägt ist. Aus Erwartungsdruck entsteht Leistungsdruck, oft auch Zeitdruck. Das spüren viele bis in den Körper hinein (Magendruck).
Wem das Leben übel mitspielt, kann leicht versucht sein, sich ausschließlich als Opfer der Umstände zu sehen. Auch diese Sicht kann ein bedrückendes Gefängnis sein.
Was Jesus hier bringt, hat er an anderer Stelle so beschrieben:
„Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, so will ich euch erquicken! Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir, denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen! Denn mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht.“ (Mt 11,28-30)
Wenn Jesaja und Jesus dann sagen: „…um zu verkündigen das angenehme Jahr des Herrn…“, dann ist klar: Hier wird keine bloß vorübergehende Erleichterung versprochen. Vielmehr bricht ein neuer Zeitabschnitt an, ein neues Kapitel wird aufgeschlagen.
Und es liegt an dir, ob du Teil dieses neuen Zeitabschnittes wirst, ob auch du ein neues Kapitel in deinen Leben aufschlagen willst.
Du musst nur deine Augen öffnen und erkennen, dass Jesus mehr ist als der Sohn des Zimmermanns. Du musst im Glauben erfassen, dass er der Sohn Gottes ist und Ja zu ihm sagen.
Amen.