Vorfreude, so heißt es, ist die schönste Freude. Und übermorgen ist er da, der Abend, auf den wir schon so lange warten. Alles ist schon für das Fest vorbereitet: Kerzenlicht, vielleicht singen, vielleicht Geschenke überreichen und Weihnachtspost lesen, beim Essen zusammensitzen und reden. Darauf können wir uns wirklich freuen.
Aber oft entsteht gerade dann, wenn man zusammen mit anderen Harmonie und Frieden erwartet und wenn zum Fest – quasi auf Knopfdruck – alles stimmen muss, ein enormer Druck. Streitigkeiten sind dann fast vorprogrammiert. Ja es gibt tatsächlich Menschen, die sich vor dem Weihnachtsfest fürchten. Einfach weil sie sich Sorgen machen oder weil Konflikte drohen.
Andere können nicht für ein schönes Fest sorgen, weil ihnen das Geld fehlt. Natürlich kann man sich auch über wenig freuen. Aber bitter ist es doch für einige, wenn sie auch die kleinen Wünsche der Kinder nicht erfüllen können.
Aber jetzt sind alle auf Harmonie und Freude eingestellt. Da will keiner von Problemen erzählen. Weihnachten ist das Fest des Friedens, des Lichtes und der Liebe. Aber manche spüren das nicht. Um sie herum ist es dunkel. Und sie sehnen sich nach Licht:
Hören wir jetzt den Predigttext aus dem Buch Jesaja, Kapitel 9 die Verse 1-6:
Das Volk, das in der Finsternis wandelt, sieht ein großes Licht, die im Lande des Dunkels wohnen, über ihnen strahlt ein Licht auf.
Du machst des Jubels viel, machst groß die Freude. Sie freuen sich vor dir, wie man sich freut in der Ernte, wie man jubelt, wenn man Beute teilt. Denn das Joch, das auf ihm lastet,
den Stab auf seiner Schulter und den Stock seines Treibers zerbrichst du wie am Tage Midians. Denn jeder Schuh, der mit Gedröhn einherschreitet, und jeder Mantel, der im Blut geschleift ist, wird verbrannt, ein Fraß des Feuers. Denn ein Kind ist uns geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft kommt auf seine Schulter. Und er wird genannt: Wunderrat, starker Gott, Ewigvater, Friedefürst.
Das Licht kommt zu denen, die im Finstern wandeln. So lässt sich die Botschaft Jesajas zusammenfassen. Das Licht scheint auf in der Dunkelheit. Was dieses Dunkel ist, wird nur angedeutet. Die Geschichte des Volkes Israel erinnert an die Unterdrückung durch die assyrische Großmacht, unter der das Volk schwer gelitten hat.
Diesen dunklen Erfahrungen tritt Jesaja mit seiner Botschaft vom Licht entgegen. Von Gott kommt Rettung, Befreiung. Und das ruft große Freude hervor – Freude, die so intensiv ist, dass man sie am besten mit Bildern beschreiben kann.
Es ist Freude wie beim Einbringen der Ernte, weil man damit jetzt überleben kann.
Freude wie beim Verteilen all dessen, was einem in die Hände gefallen ist. Wenn das auch für uns vielleicht nicht die passenden Bilder sind – die Menschen, die Jesaja zuhörten, haben verstanden: Die Freude ist groß, man kann aufatmen, man kann endlich der Zukunft getrost entgegengehen. Das Joch der Unterdrückung ist genommen, militärische Kleidung wird symbolisch vernichtet als Zeichen dafür, dass sie keine Bedeutung mehr hat.
Endlich Licht am Horizont! Endlich Rettung! Jesajas Worte reagieren auf die Hoffnungslosigkeit des Volkes, das glaubt, dass Gott nicht mehr da ist, dass er sie vergessen hat.
Auch heute erleben wir Situationen, in denen wir fragen: Wo ist Gott, warum lässt er das zu? Warum greift er nicht ein?
Ich muss dabei z.B. an die vielen Menschen, die unter schweren Krankheiten leiden oder an die Unwetterkatastrophen von denen wir immer wieder in der Zeitung lesen. Das sind doch Situationen, die viele an Gott zweifeln lassen.
Aber ich habe das feste Vertrauen, dass Gott sich nicht abwendet, sondern im Leiden mitgeht – hilft – und rettet.
Im ersten Vers des Predigttextes hörten wir:
„Das Volk, das in der Finsternis wandelt, sieht ein großes Licht, die im Lande des Dunkels wohnen, über ihnen strahlt ein Licht auf.“ (9,1)
Das sind keine oberflächlichen Worte, die uns kurzzeitig ruhig stellen sollen. Das sind Hoffnungsworte. Worte, voller Lebenserfahrung, voller Glaubenserfahrung.
So, wie Gott ist, kann er uns nicht im Stich lassen. Das passt nicht zu einem Gott, der seine Menschen liebt. Ganz im Gegenteil, er wird einen Retter senden, einen, den es so noch nie gab.
Und mit ihm wird ein Licht in unsere Dunkelheit treten, wie man es vorher noch nicht kannte. An diesem Retter kann man sehen, wie die Welt heil und umfassender Friede kommen wird.
Das merkt man daran, wie er heißt: Wunder-Rat, Gott-Held,
Ewig-Vater, Friede-Fürst.
Seine Namen sind Programm.
Auf der einen Seite zeigen sie seine enge Beziehung zu Gott, auf der anderen Seite zu den Menschen: Er ist der, der beim Vater im Himmel ist und bleiben wird, zugleich der, der für das Heil und das Wohl der Menschen da ist.
Es sind eigentlich Gottes Namen, die der Sohn tragen wird.
Der neue Herrscher ist nah bei Gott und auch ganz nah bei den Menschen, damit sie in Heil und Frieden leben können.
Gottes Sohn kommt in die Welt; und seine Namen zeigen an, wie Gott selbst in der Geschichte wirkt. Wie er an unseren Lebenserfahrungen teilhaben, uns begleiten und zum Guten leiten will.
Und was ist nun mit uns am Weihnachtsfest 2019?
Eines ist klar: Es geht nicht darum, an Weihnachten die Sorgen unter dem Teppich zu kehren. Es geht nicht darum, Probleme zu ignorieren oder zu überspielen und mit aller Kraft ein fröhliches Gesicht aufzusetzen, um das Fest nicht zu verderben.
Weihnachten ist nicht das Fest, das wir retten sollen.
Weihnachten feiern wir, dass wir gerettet werden.
Weihnachten kann eine Chance sein, am Fest der Liebe offen über Sorgen zu sprechen und sich Menschen anzuvertrauen, mit denen sie sich leichter tragen lassen.
Gerade darum geht es jetzt:
Um Befreiung von Sorge und Zukunftsangst.
Um Licht statt finsteren Aussichten.
Um Hoffnungsbilder statt Schreckensszenarien.
Um Friedensbotschaften statt Kriegsansagen.
Weil Gott das möglich macht.
Das Joch, das uns drückt, soll durch die Geburt des Gottessohnes von unseren Schultern genommen werden. Weihnachten ist Befreiung und Aufatmen. Weihnachten feiern wir, dass wir gerettet werden. Der Retter, der Friedefürst, den Jesaja verheißen hat, der in Bethlehem zu Welt gekommen ist, er kommt auch in unsere Welt des 21. Jahrhunderts. Und das bedeutet mehr als nur eine schöne Atmosphäre im Kerzenschein.
Der Retter kommt mit Gottes Kraft, die unser Leben erfüllen, verändern und neu machen kann.
Die Sorge um das tägliche Brot soll in jubelnde Erntefreude verwandelt werden. Was man hat, soll in Freude miteinander geteilt werden. Mäntel und Stiefel sollen wärmen und nicht zum Kämpfen da sein.
Gottes Sohn bringt Frieden.
Einen Frieden, der alle Lebensbereiche betrifft, einen nachhaltigen, dauerhaften Frieden. Es soll Frieden werden auch in unserer Zeit, und dieser Frieden beginnt bei jedem einzelnen von uns. Wir sind aufgefordert, daran mitzuarbeiten: Versöhnung zu stiften, Gerechtigkeit zu üben und Konflikte anders zu lösen als mit Gewalt.
Und zu Weihnachten geschieht da ja auch viel: Menschen machen sich auf den Weg, engagieren sich, nehmen aneinander Anteil. Wie die Hirten auf dem Feld nicht einfach still in ihrem Alltag bleiben können, sondern sich in Bewegung setzen, setzt die frohe Botschaft auch heute Menschen in Bewegung.
Gerade in dieser Zeit wird vielen klar, dass der Friede und das Licht, das kommen soll, auch auf unsere Antwort wartet.
Und viele Menschen helfen, oft ohne groß davon zu reden, in sozialen Projekten, in der Nachbarschaft, in der Gemeinde, im Freundes- und Familienkreis. Das alles mag wenig sein angesichts der vielen Probleme unserer Gesellschaft, aber es zeigt doch, wie Jesu Geist lebendig ist, ja wie er auch heute gegenwärtig ist.
Ja, Gott ist mitten unter uns. Der Friede ist da. Das Licht ist da. Bei Gott ist mehr möglich, als wir glauben. Er kann und wird auch Wege finden, um unsere Herzen zu erleuchten.
Wer will, wird merken, dass Gott ihm näher ist als die eigene Angst. Dass sein Licht heller ist als die eigene Dunkelheit. Dass seine Liebe stärker ist als die drohenden Konflikte. Jesaja sagt:
„Die im Lande des Dunkels wohnen, über ihnen strahlt ein Licht auf .“
Freuen wir uns über dieses Licht, und tragen wir es dorthin, wo Menschen im Dunkel leben.
Amen.